Inhalt
Qodrat wächst ohne Eltern auf. Er lebt auf der Straße in Kabul und schlägt sich mit dem illegalen Weiterverkauf von Kinokarten und Ramsch durch, bis die Polizei ihn eines Tages dingfest macht und in ein Kinderheim bringt. Hier lebt er nun mit gleichaltrigen Jugendlichen zusammen, geht zur Schule, schließt Freundschaften, behauptet sich in der Gruppe und verliebt sich das erste Mal. Im Kinderheim sind alle ethnischen Gruppen und Religionen des Landes vertreten. Viele der Kinder haben in den Wirren des Bürgerkriegs ihre Eltern verloren, sind entwurzelt und traumatisiert. Jetzt finden sie Halt in der säkularen und sozialistischen Erziehung des Kinderheims. Ausgewählte Jugendliche reisen sogar ins Ferienlager in die Sowjetunion, tanzen Volkstänze in Trachten, spielen Schach gegen die ersten Computer und besuchen das Grabmal Lenins. Zurück in Afghanistan spitzt sich Ende der 1980er Jahre die Lage zu: Was wird geschehen, wenn die rote Armee das Land verlässt? Was werden die Mudschaheddin tun?
filmisch
Qodrat liebt das Bollywood-Kino und findet dort Ablenkung vom mitunter harten Alltag. In seiner Fantasie wird er zum Star seines eigenen Lebens und legt seinen Widersachern mit strahlenden Lächeln das Handwerk. Er tanzt und besingt seinen Schmerz, seine Freundschaft und seine erste Liebe. In diesen Sequenzen bedient sich die Regisseurin Shahrbanoo Sadat allen filmästhetischen Mitteln des Bollywood-Genre. Komplizierte Choreographien treffen auf große Gesten und schallenden Gesang. Der Retro-Look mit schnellen Zooms und einer dynamischen Kamera wird durch ein für die 1980er Jahre typisches Sounddesign in den Kampfszenen ergänzt. Diese Umsetzung steht im starken Gegensatz zum beobachtenden Stil des übrigen Films. Durch den Kontrast werden Qodrats Sehnsüchte und Ängste vermittelt und eine ganz eigene Atmosphäre und Ästhetik entwickelt. Zudem nimmt sich der Film Zeit, seine Figuren differenziert zu zeichnen und so eine komplexe afghanische Gesellschaft in Auffuhr zu inszenieren.
Autor*in: Karl-Leontin Beger 07.10.2021, Letzte Aktualisierung: 08.11.2023
Credits
- Filmtitel
- Kabul Kinderheim
- Kinostart
- 04.11.2021
- Genre
- Drama, Coming-of-Age, Biografie
- Regie
- Shahrbanoo Sadat
- Buch
- Shahrbanoo Sadat Inspiriert von Anwar Hashimis unveröffentlichten Tagebüchern
- Darsteller*innen
- Qodratollah Qadiri, Sediqa Rasuli, Masihullah Feraji, Hasibullah Rasooli, Ahmad Fayaz Omani u. a.
- Altersempfehlung
- ab 12 Jahre
- FSK
- ab 12 Jahre