Inhalt
Fasziniert von einer Ausstellung des Künstlers John Heartfield (1891-1968, eigentlich Helmut Herzfeld), Erfinder der politischen Fotomontage, fällt die Grafikerin Stefanie plötzlich in einen Zeittunnel und findet sich in einem alten Atelier wieder. Stefanie ist wegen ihrer meist von profitorientierten Konzernen beauftragten Arbeit frustriert: Mit den Wünschen ihrer Kund*innen stimmt sie weder ästhetisch noch ethisch überein und auch die digitale Welt, in der sich der Großteil ihrer Arbeit abspielt, ermüdet sie. Schwankend zwischen Bewunderung und Neid nimmt Stefanie die Schere in die Hand und erforscht das haptische, ikonische und politisch einflussreiche Werk des Kommunisten und Antifaschisten, indem sie etwa Fotos und Textausschnitte in Form einer Zeitlinie an einer Schnur montiert. Sie bastelt auch eine kleine Pappfigur von Heartfield, die mit ihr zu sprechen beginnt. Doch auch Heartfields Prinzipien wurden von äußeren Einflüssen und Umständen immer wieder herausgefordert: ob geflüchtet aus dem nationalsozialistischen Deutschland, als Kommunist verfolgt in London oder ausgeschlossen aus der Arbeitswelt der DDR wegen angeblicher Beziehungen zu westlichen Spionen. Immer wieder muss Heartfield Kompromisse eingehen, hört jedoch nie auf zu kämpfen.
filmisch
Als Hybrid aus Animation, biografischem Dokumentar- und Spielfilm präsentiert sich JOHNNY & ME formal und inhaltlich vielschichtig. In den Realfilmszenen dient Stefanie als Identifikationsfigur, die verspielten Cutout-Animationen nehmen Bezug auf Heartfields Arbeit und stellen die historischen Zusammenhänge kunstvoll dar. Sie sind dabei keine reine Imitation seines Stils, sondern stehen für sich und sollen nach der Logik des Films Stefanies Fantasie entspringen. Der Dialog der beiden Figuren verläuft mal konfrontativ und ernst, mal komisch und freundschaftlich. Mitunter wechseln die Zeitebenen schnell hin und her, die komplexe Biografie Heartfields wird nicht chronologisch erzählt. Wer sich darauf einlässt, erlebt eine Zeitreise durch die Geschichte, die den haptischen Aspekt des Grafikdesigns und der Animation honoriert und dabei eine Hands-on-Mentalität verkörpert: Fast ausschließlich mithilfe ihrer Schere und Smartphone-Kamera erweckt Stefanie mit dem vorgefundenen Material die Ereignisse zum Leben.
Anknüpfungspunkte an die pädagogische Arbeit
Die Beschäftigung mit einer Biografie, das Erforschen und Wiederbeleben der Vergangenheit treibt der Film auf die Spitze, indem er mit einer ähnlichen gestalterischen Herangehensweise arbeitet wie Heartfield. Die filmische Gestaltung kann dazu inspirieren, selbst produktiv zu werden, eine künstlerische Haltung einzunehmen und zu hinterfragen. Die Figur der Grafikerin Stefanie zeigt Schüler*innen, was es bedeuten kann, heutzutage als freiberufliche Künstler*in zu arbeiten, und wie schwierig es sein kann, wenn die persönliche Haltung und die Wünsche der Auftraggeber*innen immer wieder auseinandergehen. Auch konkrete bildgestalterische Techniken und Fragen bieten sich zur Beschäftigung an, etwa die Wahl der Linienführung in der Bildkomposition oder die These Heartfields, dass es einfacher sei, im Bild eine Gegenposition einzunehmen, als sich positiv für etwas auszusprechen. Mehrmals wird im Film der Vergleich zwischen Heartfields Arbeit und Social Media gezogen. Ist dieser Vergleich für die Schüler*innen nachvollziehbar, wo lassen sich Einflüsse wiederfinden und wie wirken und verbreiten sich ähnliche Bilder heutzutage? Um das sehr informative Making-Of-Video anzusehen, das rechts verlinkt ist, benötigen Sie das Passwort Visionkino2024.
Autor*in: Timo Klabunde , Letzte Aktualisierung: 07.08.2024
- Genre
- Animationsfilm, Dokumentarischer Spielfilm, dokumentarischer Animationsfilm
- Altersempfehlung
- ab 13 Jahre
- Klassenstufe
- ab 8. Klasse
- Unterrichtsfächer
- Kunst, Ethik, Geschichte, Politik, Deutsch, Wirtschaft/WAT, Medienkunde, Berufsorientierung (fächerübergreifend)
- Themen
- politische Kunst, Fotomontage, Illustration, Animation, Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, DDR, Flucht, Individuum (und Gesellschaft), Aktivismus, soziale Medien, Medien
Materialien zum Film
- FilmTipp_Johnny_and_Me.pdf
- Johnny_and_Me_Schulmaterial.pdf
- Dokumentarfilm-im-Unterricht.pdf
- Webseite des Verleihs zum Film
- Der Film bei filmportal.de
- Interview mit der Regisseurin beim Österreichischen Filminstitut
- Interview mit Katrin Rothe auf filmdienst
- Katalog des grafischen Nachlasses von John Heartfield bei der Akademie der Künste
- Making Of Video: Regisseurin Katrin Rothe erklärt die Animationen
Credits
- Filmtitel
- Johnny & Me - Eine Zeitreise mit John Heartfield
- Kinostart
- 25.01.2024
- Genre
- Animationsfilm, Dokumentarischer Spielfilm, dokumentarischer Animationsfilm
- Regie
- Katrin Rothe
- Buch
- Katrin Rothe
- Darsteller*innen
- Stephanie Stremler, Stimmen von: Manuel Harder, Michael Hatzius, Dorothee Carls
- Altersempfehlung
- ab 13 Jahre
- FSK
- ab 12 Jahre
- Verleih
- Real Fiction Filme
- Festivals
- (2023) Annecy International Animation Film Festival; DOK Leipzig; FANTOCHE; Animage Brazil