Die Ermittlung
Ein Film von RP Kahl Deutschland 2024 / 241 Min/180 Min ab 14 Jahre Schulkinowochen-Film
Inhalt
Der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963-1965 – ein schlichter, fensterloser Gerichtssaal als Bühne: Unter der Leitung des Richters, im Zusammenwirken mit Staatsanwalt und Verteidigung treten 39 Zeug*innen auf. Vis-à-vis von 18 Angeklagten geben sie Erinnerungen an die Zeit des Lagers sachlich zu Protokoll, sodass anhand ihrer Schilderungen über die Taten der Lagerverantwortlichen hinaus Details des menschenverachtenden KZ-Systems, in dem sie handelten, anschaulich werden. Demgegenüber versuchen die des Mordes und der Beihilfe zum Mord Beschuldigten immer wieder, durch angebliche Unwissenheit, wenig glaubwürdige Ausflüchte und Rechtfertigungsstrategien, aber auch aus der Logik eines menschenverachtenden Weltbilds heraus, ihre persönliche Schuld und Verantwortung von sich zu weisen. Von der Selektion an der Lagerrampe bei Ankunft der Menschen bis zum Ende in den Feueröfen folgen die Einlassungen in elf Abschnitten („Gesängen“) konkreten Abläufen und der Topografie im Lager.
filmisch
RP Kahls Umsetzung ist dem nüchtern-dokumentarischen Geist des aus damaligen Prozessdokumenten kompilierten, nahezu vollständig aufgenommenen, wenn auch durch Schwerpunktsetzungen und Verteilung auf mehr Sprecher*innenrollen anders arrangierten Textes von Peter Weiss verpflichtet. Die sprachliche Ausdrucksform wird von den beteiligten Schauspieler*innen bei aller Reduktion im Einzelnen nuancenreich verkörpert. Damit werden nicht nur das immer wieder notwendige Wissen um die Taten deutlich, sondern gleichzeitig Bilder des Unvorstellbaren und visuell gar nicht Darstellbaren evoziert. Es handelt sich um eine ausgefeilte, wenn auch reduziert wirkende filmische Installation mit mehreren beweglichen Kameras und Einstellungsgrößen, die mit wenigen dramaturgischen Akzentuierungen arbeitet. Anders als konventionelle Gerichtsdramen sowie eine Vielzahl fiktionaler Annäherungen mit entsprechenden Emotionalisierungsstrategien kontrastieren Opfer- und Täterperspektiven hier umso wirklichkeitsnäher – und die Konzentration aufs Wesentliche verdichtet stets die Opfersicht.
Anknüpfungspunkte an die pädagogische Arbeit
Wichtiger denn je ist audiovisuell dokumentiertes oder anderes Bewahren der Erinnerungen an die NS-Verbrechen – etwa auch mit Hilfe lebender Zeitzeugen, die es schon bald nicht mehr geben wird. RP Kahls filmisches Arrangement, das mit Hilfe von Schauspieler*innen eine Aussageform anbietet, dürfte die Rezeptionsgewohnheiten herausfordern und Heranwachsenden über die Filmlänge hinaus tatsächlich einiges „zumuten“. Bei entsprechender Veranstaltungsrahmung und Einbettung vermag DIE ERMITTLUNG gleichwohl eine erinnerungskulturelle Lücke zu füllen. Anknüpfungsmöglichkeiten bieten sich über diverse thematische, entlang der Kapitelgliederung nach „Gesängen“ gut auffindbare, Zugänge. Filmanalytisch lassen sich z. B. die hervorgehobene, ganz eigene Rolle der Sprache oder die Strategien zur Gewährleistung der Opferperspektiven diskutieren. Auch die Gestaltung von Bühnenbild und Lichtsetzung im Studio sowie Kamerabewegungen und -perspektiven bieten Raum für einen intensiven Austausch über die Frage, wie von diesem Kapitel deutscher Geschichte erzählt werden kann.
Autor*in: Reinhard Middel 01.08.2024, Letzte Aktualisierung: 30.01.2025
- Genre
- Drama, Gerichtsfilm, Literaturadaption, Theateradaption
- Altersempfehlung
- ab 14 Jahre
- Klassenstufe
- ab 9. Klasse
- Unterrichtsfächer
- Geschichte, Politik, Deutsch, Darstellendes Spiel, Ethik, Religion
- Themen
- (deutsche) Geschichte, Nationalsozialismus, Holocaust, Konzentrationslager, Erinnern/Erinnerungskultur, Opfer, Täter, Schuld (und Sühne), Verantwortung
Credits
- Filmtitel
- Die Ermittlung
- Kinostart
- 25.07.2024
- Genre
- Drama, Gerichtsfilm, Literaturadaption, Theateradaption
- Regie
- RP Kahl
- Buch
- RP Kahl, nach dem Theaterstück „Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen“ (1965) von Peter Weiss
- Darsteller*innen
- Rainer Bock, Clemens Schick, Bernhard Schütz, Nicolette Krebitz, Elisabeth Duda, Christiane Paul u. a.
- Altersempfehlung
- ab 14 Jahre
- FSK
- ab 12 Jahre
- Verleih
- Leonine Studios
- Festivals
- Filmfest München 2024