Hausnummer Null
Ein Film von Lilith Kugler Deutschland 2024 / 98 Min ab 14 Jahre Schulkinowochen-Film
Inhalt
Chris lebt seit rund sechs Jahren auf der Straße. Während er Heroin zum Rauchen vorbereitet, sinniert der junge Mann über eine heile Normalität, von der er weit entfernt ist. Stattdessen schläft Chris in einer Unterführung am S-Bahnhof Friedenau in Berlin; auch im Winter, der gerade anbricht, oft in Gesellschaft seines Kumpels Alex und mit Unterstützung der Anwohnerschaft, die Lebensmittel oder einen Ausflug auf den Weihnachtsmarkt spendiert. Die Hilfsangebote fruchten zunächst nur kurzfristig, denn Chris ist fahrig und mit der täglichen Suchtmittelbeschaffung ausgelastet. Auf wackligen Beinen zählt er Kleingeld oder fegt seinen Schlafplatz. Erst als er dem Tode nah in einer Notaufnahme landet, beginnt ein Umdenken. Chris nimmt an einem Substitutionsprogramm teil, besucht nach langer Zeit seine Mutter in Schwaben und hat ein Zimmer in Aussicht. Sein Ziel: „alltagstauglich werden”. Ob er es schafft?
filmisch
Als Lilith Kugler für ein Regiestudium an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf nach Berlin zog, fiel ihr der junge Obdachlose Chris auf. Zwischen 2020 und 2023 begleitete sie ihn für ihr Dokumentarfilm-Porträt HAUSNUMMER NULL, das ihr Abschlussfilm wurde. Die Langzeitbeobachtung nimmt am Alltag des Obdachlosen teil, ohne den verstetigten Ausnahmezustand vorzuführen oder dem Geschehen eine Moral aufzudrücken. Die bündige Montage verdichtet den Blick über die Schulter zu einer Zustandsbeschreibung des Lebens auf der Straße und der Darstellung einer lebensbestimmenden Sucht. Kameramann Stephan Vogt rückt mitunter nah an den Protagonisten heran, beobachtet aber meist aus halbnaher Distanz. Durch seine beobachtende Haltung und den Verzicht auf einen erklärenden Kommentar regt der Film zur eigenen Meinungsbildung an, was in Anbetracht zunehmender Obdachlosigkeit umso relevanter ist.
Anknüpfungspunkte an die pädagogische Arbeit
HAUSNUMMER NULL zeigt ein konkretes Einzelschicksal, vermittelt aber auch eine generelle Ahnung vom Leben ohne Obdach. Daran kann eine allgemeine Einordnung des Themas anknüpfen. Welche Faktoren verursachen den Anstieg der Obdachlosigkeit in Deutschland, warum bleiben Hilfsangebote oft wirkungslos? Lilith Kugler beschreibt den aktuellen Lebenswandel des Protagonisten Chris, während der biografische Hintergrund vage bleibt. Der Besuch bei seiner Mutter, die sich fragt: „Was hab‘ ich falsch gemacht?”, verdeutlicht die Hilflosigkeit der Angehörigen. Kugler zeigt nicht den Weg in die Obdachlosigkeit, sondern das Straßenleben selbst. Chris spricht von der „Persönlichkeitsveränderung” in einer permanenten Extremsituation, in der seine Drogensucht eine Hauptrolle spielt. Eine Diskussion kann um die Frage kreisen, wie Hilfe gelingt, ohne Obdachlose zu entmündigen. Analysiert werden kann zudem Kuglers dokumentarische Herangehensweise. Der Verzicht auf externe Einordnungen zeichnet den Film als teilnehmendes Porträt aus.
Autor*in: Christian Horn 02.09.2024, Letzte Aktualisierung: 08.09.2025
- Genre
- Dokumentarfilm
- Altersempfehlung
- ab 14 Jahre
- Klassenstufe
- ab 9. Klasse
- Unterrichtsfächer
- Deutsch, Ethik, Sozialkunde
- Themen
- Obdachlosigkeit, Armut, Drogen, Lebenskrise(n), Individuum (und Gesellschaft)
Credits
- Filmtitel
- Hausnummer Null
- Kinostart
- 12.09.2024
- Genre
- Dokumentarfilm
- Regie
- Lilith Kugler
- Buch
- Lilith Kugler
- Darsteller*innen
- Mitwirkende Chris, Alex, Inge, Isabella, Jens, Käthe, Mila
- Altersempfehlung
- ab 14 Jahre
- FSK
- ab 12 Jahre
- Verleih
- Drop-Out Cinema
- Festivals
- (2024) Filmfestival Max Ophüls Preis; DOK.fest München 2024: Nachwuchspreis; Achtung Berlin: Ökumenischer Preis; Filmkunstfest MV: Beste Bildgestaltung und Bester Dokumentarfilm